Der Weg zu Albus unserem 560 SL
Am Anfang stand die Idee. Die häufig getätigte Aussage: "Wenn ich einmal, dann mache ich....." kam auch bei uns schon oft vor, doch viele Menschen "machen" dann eben nie oder bekommen keine Gelegenheit "etwas" zu machen. Sei es der Fallschirmsprung, die Reise über die Route 66 oder der Tauchgang auf den Malediven. Meine Frau kam in dem Zeitraum mit dem Spruch um die Ecke: "Einfach mal machen, kann ja gut werden!" So schrieb ich mir eine Liste und entschied, die USA muss warten, ein R107 Mercedes SL muss her. Nur woher nehmen und nicht stehlen, die Zeit mit dem SL meines Vaters war schon 30 Jahre her. Welcher Motor, welche Ausführung, EU oder USA und welche Farbe und Innenausstattung? Ich wusste es nicht, der Markt erschien mir unübersichtlich und unbegreiflich.
Die erste Anlaufstelle war das Internet, die üblichen Automobil Kaufplattformen wurden befragt und heraus kam in meiner Nähe eine Handvoll SL. Einer davon war bei einem Händler in Hamburg, den ich im Winter 2017 mit meiner Frau zusammen aufsuchte. Ohne Termin gingen wir zu einem Oldtimer Händler, der in einer alten Hochgarage beheimatet war. Er hatte einen Termin mit Kunden, erspähte uns und kam kurz heraus um zu fragen was wir möchten. Einen Mercedes SL, R107. Er wies uns den Weg auf das Parkdeck, wo etwa sieben SL abgedeckt standen und bat uns, uns schon einmal in Ruhe umzusehen. Die Abdeckungen dürften wir entfernen. Wir sahen 380er, 500er und zwei 560er. Außer einem 380er waren alle USA Fahrzeuge bereits mit der EU Optik ausgestattet. Verschiedene Farben dabei. Unsere Wahl zur näheren Begutachtung fiel auf einen 560er in Rausilber Metallic mit Leder Tabak. Außen gefiel er uns sofort, innen waren wir nicht überzeugt. Ein Probesitzen ergab, dass die alten Autos im Alter kleiner werden, zumindest war mein Gefühl so. Das anschließende, etwa 30 Minütige Gespräch mit dem Verkäufer, war sehr lehrreich. Ich wusste hinterher, dass ich vorher nicht wusste, was ich eigentlich suche. Nun kannte ich die Optik der US Modelle auch und mir wurde erklärt, dass die meisten auf EU-Look umgerüsteten USA Modelle, aus Kostengründen mit EU Stoßstangen- und Scheinwerfer-Nachbauten umgebaut werden.
Nachdem ich die Frage des Händlers: "Was suchen Sie denn genau"? überhaupt nicht beantworten konnte, machte ich mich auf die Suche nach den Unterschieden der verschiedenen R107 Ausführungen. In den 18 Jahren seiner Bauzeit ist der Wagen im Prinzip immer wieder mit den Bauteilen der parallel laufenden anderen Baureihen von Mercedes versorgt worden. Während die Grundkonstruktion auf der Basis des W114/115 bekannt als /8, basiert, wurden viele Teile des r107 auch in der 1972 präsentierten ersten S-Klasse W116 verwendet, so kamen am Ende unter Anderem auch Bauteile aus dem W126 zum Zuge. Motoren mit und ohne Katalysator, Reihensechszylinder und V8 Motoren, Automatikgetriebe mit drei und vier Fahrstufen sowie auch Handschalter. Dort für mich selbst zu sortieren hat Zeit in Anspruch genommen, der Dezember 2017 war geeignet dafür mich durch die Literatur zu lesen. Am Ende blieb für mich nur der 560er über, nach der großen Modellpflege 1985 an dem markanten neuen Frontspoiler in Wagenfarbe zu erkennen und mit einem deutlich besseren Rostschutz versehen. Denn eines hatte ich schnell gelernt und bei unserem 350er gesehen, ist der Rost erst einmal im Fahrzeug, kostet es viele Stunden und Geld, ihn wieder los zu werden.
Ich fand einen Händler, der mit mir gemeinsam in den USA auf Autosuche ging. Lange Zeit passte einfach alles nicht was er mir vorstellte. Im April 2018 endlich fanden wir einen Wagen in Impala (ein Braunton) mit Leder Dattel. Kurzes Beraten mit meiner Frau, dann sagte ich zu und lernte, das in den USA das Thema Zusage etwas lockerer gehandhabt wird. Das Fahrzeug war kurz zuvor, trotz unserer Reservierung, verkauft worden. Spannenderweise fand ich das Fahrzeug im Süden von Hamburg bei seinem neuen Besitzer im Jahre 2019 wieder. Kurze Zeit später fanden wir einen in Blauschwarz Metallic mit Leder Dattel. Der gefiel mir auf Anhieb sehr gut. Schnell beauftragten wir einen Oldtimer-Prüfer vor Ort, der neben den etwa 80 Bildern des Händlers, für 400€ 100 weitere Bilder machte und ein Protokoll ausfüllte. Erstaunlich, was man auf 80 Bildern des Händlers alles nicht sehen kann. Nägel mit Köpfen und zugesagt, dass sollte mein SL werden. Wie war das noch mit Zusagen in Amerika....der Wagen wurde nach Frankreich verkauft, obwohl ich 400€ investiert hatte. Ich entschied mich, wieder alleine und nur in Deutschland zu suchen. Der Hauptsatz war von da an: "Substanz ist wichtiger als Farbe"! Damit wollte ich meine Chancen etwas zu finden erhöhen.
Was folgte, war eine Anhäufung von Besuchen bei Verkäufern, privat und gewerblich. Viele Versprechungen und wenig "Substanz". Der Satz: "Kann man ja machen wenn der Wagen gekauft ist" begleitete mich dabei ständig, wenn ich Dinge ansprach, die nicht in Ordnung waren. Warum soll der Käufer alles reparieren, wenn sich das nicht in einem niedrigeren Preis wiederspiegelt? Schließlich wurde ich in Berlin fündig. Ich machte einen Termin für einen grauen SL mit Leder Dattel. Auf der Anreise nach Berlin erhielt ich einen Anruf, der Wagen ist bereits verkauft. Ich fuhr gefrustet nach Hause. Eine Woche später stellte der Verkäufer eine neue Anzeige rein, Rauchsilber mit Leder Dattel, genau meine vorstellbare Farbe. Ich rief ihn an und erfuhr, dass er etwa drei SL noch anbieten wird in den nächsten Wochen. Neuen Termin abgestimmt und diesmal klappte es. Das Fahrzeug war gut, letzlich überzeugte mich die Farbkombination "live" dann nicht mehr und die Schminkspiegelklappen sahen aus wie bei einem Raucherauto, das wollte ich nicht. Beim verabschieden fragte ich, welche Farben er denn noch hat, petrol und weiß. Schade dachte ich, petrol mag meine Frau nicht (ich schon) und weiß hatte ich komplett außgeschlossen. Aber wenn ich schon einmal in Berlin war, anschauen kostet ja nix. Spät am Abend trafen wir uns erneut an einer Werkstatt, um den weißen SL anzusehen. Ich brauchte ungefähr 15 Sekunden, bis mein Bauch sagte: "Das ist deiner, nimm ihn mit". Die anschließende kurze Begutachtung vor Ort rücke ihn auf Platz eins meiner Wunschkandidaten. Es folgte ein gemeinsamer Termin in einer Werkstatt, zwei Wochen später. Nach dem Werkstattbesuch mit einer längeren Mängelliste, ging es in die sieben Wochen dauernde Verhandlung mit dem Verkäufer, der den Wagen bereits Eisgestrahlt hatte, weil er ihn selbst behalten wollte. Mitte August 2018 war es dann endlich soweit, "Albus" kam zu uns nach Hause. Knapp 10 Monate von der ersten Idee bis zur ersten Fahrt, nun gehörte wieder ein R107 SL zu unserem Haushalt.
Mittlerweile habe ich mit der Unterstützung von SL fahrenden Freunden und einer guten, kleinen Werkstatt bereits die meisten USA Sünden abgearbeitet. Denn auch wenn bei mir die Substanz sehr gut ist, so hat doch jedes alte Auto mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Und dabei ist es fast egal, wieviele Kilometer oder Meilen auf dem Tacho stehen. Und auch wenn es ein USA Auto aus einer trockenen Gegend ist, Rost habe ich auch gefunden. Ein altes Auto ohne Rost gibt es meiner Meinung nach nicht. Es ist die Frage wo und wie viel.
Bereits abgearbeitet:
- Alle Flüssigkeiten gewechselt (es gibt 5)
- Bremsen komplett erneuert, Reifen neu
- Bremsschläuche hinten neu
- Lambdasonde neu
- Motorsteuergerät erneuert (gebraucht)
- Hohlraumversiegelung
- Getriebeölkühler Schläuche erneuert
- Servolenkungsschlauch erneuert
- Alle Leuchtmittel außen erneuert
- Sitzführung erneuert (Gleitbacken)
- Verdeckdeckeldichtung erneuert
- Frontscheibe und A-Säulendichtungen neu
- ABS Sensoren (vorne) erneuert
- Traggelenke und Spurstangen erneuert
- Steuerkette und Gleitschienen erneuert
- Wasserpumpe erneuert
- Einspritzdüsen neu abgedichtet
- Vorderachse neu gelagert, Motorlager neu
- Dreieckslenker unten neu gelagert
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